Project Description

* im Frühjahr 1859
† 24. Januar 1943

Marienstraße 16, Weimar

Aufrecht gehen

Die Zeilen, die der Weimarer Polizeipräsident im September ’41 zu lesen bekommt, wirken wie aus der Zeit gefallen: Sie zeugen davon, dass der Verfasser sich ein Verständnis der Dinge erhalten hat, das die Nazis seit Jahren erbittert bekämpfen.

Ihm zufolge ist jüdisch zu sein eine Frage des Glaubens, nicht des Blutes, und daher eine Sache der persönlichen Entscheidung:

„Wie aus beiliegenden Dokumenten ersichtlich, gehöre ich den größten Teil meines Daseins, also über ein halbes Jahrhundert, der evangelischen Kirche an, werde aber dennoch den Nichtariern zugesellt. […] Durch das am 19. September in Kraft tretende neue Gesetz, einen gelben Stern als Kennzeichen der Judenzugehörigkeit sichtbar zu tragen, werde ich vor ein ungewöhnliches Dilemma gestellt, da ich doch auf meine alten Tage nicht Proselyt 1 werden kann, ganz abgesehen davon, daß ich mich dadurch sogar eines Meineids der Kirche gegenüber schuldig machen würde! Ich bitte daher ganz ergebenst, mich gütigst davon entbinden zu wollen, den bewußten Stern zu tragen“.

Die religiöse Zugehörigkeit ist also Privat­angelegenheit, und die Definitions­hoheit über den eigenen Glauben kann sich ein Staat nicht anmaßen: Der Verfasser hat den Mut, den NS-Staat in die Schranken zu verweisen.

Geschrieben hat den Brief Eduard Rosé, im trügerischen Vertrauen darauf, dass im Dritten Reich die Prinzipien des Rechtsstaats gelten würden. Das Beharren auf Werten, die der NS-Staat bekämpft, ist sein Versuch, die schwere Zeit zu ertragen.

In den letzten Jahren seines Lebens versucht der vereinsamte alte Mann mit aller Kraft, sich nicht aufzugeben, sich mit der Armut und der Isolation zu arrangieren und, wenn irgend möglich, zu ignorieren, was ihn brechen soll:

Er geht wie immer täglich in den „Fürstenhof“ (heute „Russischer Hof“ genannt), in das mittlerweile bei den Nazis sehr beliebte „Residenz-Café“ oder den „Schwan“, um dort zu essen und ein wenig unter Leuten zu sein. Er kauft seine Lebensmittel wie üblich bei Kaufmann Hüther in der Amalienstraße oder lässt sie sich von der Tochter seines Vermieters, Margarete Vogler, mitbringen. Das „J“ auf den Lebensmittelmarken radiert er aus; im Schriftverkehr fügt er seinem Namen nicht den vorgeschriebenen Vornamen „Israel“ hinzu und unterschreibt, wie er es sein Leben lang getan hat, mit „Rosé“. Er hält seine Wohnung, in der er nach dem Tod seiner Frau und der Emigration seiner Söhne allein wohnt, sorgfältig aufgeräumt. Oft hört er im Radio die Musik, mit der und für die er lebt, und hin und wieder begleitet er die Übertragungen auf seinem Cello. Es ist das letzte Stück Kultur, das er, der langgediente Konzertmeister und international geschätzte Solocellist des Theaterorchesters, sich erhalten kann.

Von Wien über Budapest und Boston nach Weimar

Eduard Rosé tauchte in das kulturelle Leben von Wien, Budapest und Boston ein, widmete sich den Werken Mahlers, Schönbergs, Brahms’. Er hat in halb Europa und den USA gelebt, bevor es ihn nach Weimar verschlägt. Ursprünglich aber kam seine Familie aus Jassy, damals Hauptstadt des Fürstentums Rumänien und wichtiges kulturelles Zentrum des Landes. Hier wurde Eduard im Frühjahr 1859 als zweiter der vier Rosenblum-Söhne geboren. Sein Vater Hermann, ein wohlhabender Kaufmann, und seine Mutter Marie, eine Pianistin, zeigten ein feines Gespür für die Talente ihrer Söhne und beschlossen 1867, mit den Kindern nach Wien – eine Weltstadt der Kultur – zu ziehen. Die Jungen erhielten Unterricht in Kunst, Literatur, Geschichte und den Wissenschaften sowie private Musikstunden. Das schlug sich schließlich in ihrer Berufswahl nieder: Der älteste, Alexander, wurde Konzertunternehmer und Musikalienhändler, Eduard und der um vier Jahre jüngere Arnold studierten am Wiener Konservatorium Cello bzw. Violine. Berthold, der jüngste, tanzte ein wenig aus der Reihe und wurde Schauspieler.

Am Konservatorium trafen Eduard und Arnold auf Gustav Mahler, der zur Jahrhundertwende ihrer beider Schwager und einer der wichtigsten Kompo­nisten werden sollte. 1882 änderten die beiden Brüder ihren Nachnamen in „Rosé“ und gründeten mit zwei Musikerkollegen das bald große Erfolge feiernde Rosé-Quartett. Eduard allerdings beteiligte sich nicht kontinuierlich an dem Projekt und widmete sich stärker seiner Karriere als Solocellist. Nach einer dreijährigen Anstellung an der Königlichen Hofoper in Budapest unternahm er Konzertreisen und wurde 1891 schließlich Cellist am Boston Symphony Orchestra. Zur selben Zeit trat er zum Protestantismus über. Ein knappes Jahrzehnt blieb er in den USA, während der freien Sommermonate allerdings zog es ihn immer wieder nach Europa.

Bei einem dieser Besuche in der alten Heimat verliebte er sich in Emma Mahler. Recht bald haben sie geheiratet, er war 39, sie 23 Jahre alt.

Kurze Zeit lebte das frisch vermählte Paar noch in Boston, doch vertrug Emma das Klima an der Ostküste nicht und sehnte sich nach Europa und ihrer Familie zurück. Eduard versuchte, ihr den Wunsch nach einer Rückkehr zu erfüllen, und schaute sich nach vakanten Posten um. Als 1900 die Stelle des Ersten Violoncellisten am Weimarer Hoftheater-Orchester (später das Orchester des Deutschen Nationaltheaters) frei wurde und Gustav Mahler seinen Schwager empfahl, sagte der Generalintendant erfreut zu.
Es war 1900, Rosé war 41 und hatte sein bisheriges Leben auf Wanderschaft verbracht: Nun wollte er sesshaft werden und eine Familie gründen.

In einem Brief an Emma schwärmt ihre Schwester Justine, es heiße, Weimar solle wie ein Garten sein … Und in der Tat, die Rosés fassen hier Fuß, richten sich in ihrer Wohnung in der Kurthstraße 14 (heute Bauhausstraße) ein, und Sohn Ernst, der noch in Boston geboren wurde, bekommt einen kleinen Bruder, Wolfgang.

Rosés Gehalt allerdings ist mager, daher unterrichtet er auch an der Großherzoglichen Musikschule Klavier und Violoncello, spielt am Münchner Prinz-Regenten-Theater bei den Wagner-Festspielen und in Kurorten, und er tritt, wenn er sich beurlauben lassen kann, mit dem Rosé-­Quartett auf. Auch bittet er regelmäßig und stets vergeblich um Erhöhung seiner Gage. In den ärgsten Notzeiten hilft sein Schwager Gustav Mahler mit finanziellen Zuwendungen aus. Rosé bleibt nun Weimar, dem Orchester und der Musikschule treu, wenn ihn auch die stetige qualitative Verschlechterung des Orchesters plagt. Er ist bald schon in der Stadt wohlbekannt – „zu bekannt,“ schreibt die Weimarische Zeitung im Herbst 1905 in Ankündigung eines Konzerts, „als daß seine hervorragenden künstlerischen Leistungen besonders hervorgehoben werden müßten“.

In der Kultur zu Hause

Eduard Rosé kümmert sich liebevoll um seine kränkliche Frau Emma, vermittelt seinen Söhnen die Begeisterung für Musik und Kunst und unterstützt beide auch über die Studienzeit hinaus noch mit den mageren Mitteln, die er aufbringen kann. Auch mit der weiteren Familie halten die Rosés engen Kontakt: Häufig verbringen sie die Ferien mit der Familie seines Bruder Arnold, der mit Justine ebenfalls eine Schwester Gustav Mahlers geheiratet hatte. Das Talent und die Leidenschaft für Musik und Kunst wird an alle Kinder der Mahler-Rosés weitergegeben: Eduards Neffe Alfred wird ein erfolgreicher Dirigent und Musiktherapeut, seine Nichte Alma ist für ihr hinreißendes Violinenspiel berühmt. Die eigenen Kinder finden ihre Berufung in der Schauspielerei und dem Klavierspiel.

Auch Gustav und Alma Mahler stehen die Weimarer Rosés nahe, ebenso Walter Gropius, der Alma Mahler drei Jahre nach Gustavs Tod 1911 heiratet und 1919 in Weimar das Bauhaus gründet. So ist die Familie verwoben in das Netz der deutschsprachigen Kulturschaffenden, und viele der Künstler, deren Werke er spielt, kennt Eduard persönlich.

Finanzielle Nöte

Eduard Rosés hervorragendes Können wird zeit seines Lebens nicht gebührend vergütet. Erschwert wird die Situation dadurch, dass in den wirtschaftlich angespannten zwanziger Jahren der Antisemitismus grassiert und, nach dem Sieg der Deutschnationalen bei den Thüringer Wahlen 1924, auch in Weimar politisch gefördert wird. So sind vermutlich antisemitische Gründe ausschlaggebend dafür, dass Eduard Rosé wie auch der Gesang lehrenden Jenny Fleischer-Alt eine Professur versagt wird, als die Staatliche Musikschule in eine Hochschule umgewandelt wird. Zu diesem Zeitpunkt kündigt sich schon an, was während der NS-Diktatur verschärft und gesetzlich verankert wird. Rosé beendet daraufhin seine Arbeit an der Musikhochschule und ist nur noch im Theaterorchester tätig.

1926 geht er, nunmehr 67 Jahre alt, in Rente. Das Geld war bisher oft knapp, doch lebt die Familie von nun an in äußerst prekären finanziellen Verhältnissen. Emma Rosés Gesundheit verschlechtert sich immer mehr, was erhöhte Kosten für ihre Behandlung und Kuraufenthalte mit sich bringt. Als sie nicht mehr in der Lage ist, die Treppen zu ihrer Wohnung in der Kurthstraße zu nehmen, bezieht die Familie eine Wohnung Am Viadukt 8.
Sohn Wolfgang hat in Berlin Erfolg als Pianist; und Ernst ist in Weimar ein beliebter Schauspieler, dessen Einkommen dennoch kaum zum Überleben reicht. Kurz bevor er im Juli 1928 Rosa Weber, eine am DNT fest angestellte Schauspielerin, heiratet, erhält Ernst ein Engagement in Bremerhaven. Um jedoch bei Rosa sein zu können, gibt Ernst bald den Posten an der Nordsee auf und kehrt nach Weimar zurück. Hier allerdings erhält er kein Fest­engagement, es bleiben ihm nur kurzfristige Aufträge, stundenweise vergütet, nichts, was ihm finanzielle Sicherheit bieten könnte. Auch Rosa verliert bald ihre Stelle. Die beiden wohnen bei Eduard und Emma und sind von der kleinen Pension des Vaters abhängig.

1930 wird Wilhelm Frick von der NSDAP Thüringer Innen- und Volksbildungsminister. Frick übt Druck auf Universitäten, Zeitungen und Theater aus, missliebige Aufführungen und Filme werden verboten, an den Schulen darf Remarques „Im Westen nichts Neues“ nicht mehr gelesen werden – und für als jüdisch bzw. „judenfreundlich“ geltende Künstler wie Ernst Rosé und seine Frau wird das Klima umso rauer. 1932 fasst Ernst Rosé sich ein Herz und schildert dem Generalintendanten des DNT – erfolglos – seine Not:

„Ich habe [mit] Ihnen noch nie über meine geradezu desolate wirtschaftliche Lage gesprochen, möchte mir aber erlauben, heute ein paar Worte darüber zu sagen. Von der auf ein Minimum gekürzten Pension meines Vaters sind wir buchstäblich nicht mehr imstande, für vier Personen – meine Eltern, meine Frau und mich – nur die dringendsten Lebensnotwendigkeiten zu bestreiten; außerdem muß mein Bruder, der sich in Berlin als Pianist trotz großer künstlerischer Erfolge schwer durchkämpft, noch teilweise unterstützt werden, und über den Sommer sogar ganz hier bei uns leben. Meine Mutter ist seit Jahren schwer gallen-, leber- und zuckerleidend, und wir sind – es ist mir nicht leicht, Ihnen das zu sagen – nicht einmal in der Lage, die vom Arzt verordneten teuren Medikamente zu kaufen und für ihre Krankheit nötige mit Extrakosten verbundene Diät einzuhalten.“

Der Zerfall der Familie

Im Jahr darauf stirbt Emma.

1935 verliert Ernst mit der Mitteilung, dass „er auf Grund des Arierparagraphen durch Verfügung der Reichstheaterkammer am Deutschen Nationaltheater nicht mehr beschäftigt wird“ , jede Aussicht auf eine Rolle am DNT. Er geht 1935 für kurze Zeit nach Berlin, wo auch Wolfgang nur noch vor jüdischem Publikum spielen darf, und schließlich zu seinem Onkel Arnold nach Wien, wo er glaubt, noch Arbeit finden zu können. Im November lässt Rosa sich von Ernst scheiden.

Die Ausweglosigkeit ihrer Situation bewegt die beiden Brüder dazu, fieberhaft nach Möglichkeiten zur Emigration zu suchen, den Vater wollen sie nachholen. Auch der weitere Familienkreis versucht zu flüchten: Walter Gropius und Alfred Rosé können in die USA emigrieren, nach dem Tod von Justine schaffen es Arnold und Alma Rosé 1938 nach Großbritannien und leben dort in großer Armut. Alma Rosé nimmt daher ein Auftrittsangebot in den Niederlanden an, gerät schließlich doch den Nazis in die Hände und wird nach Ausch­witz deportiert. Dort dirigiert sie ein Frauenorchester, welches den Musikerinnen das Überleben sichern soll. Sie müssen spielen, um den Gleichschritt der Arbeitskommandos beim Ausrücken und der Rückkehr ins Lager zu befördern, Lagerkommandant Kramer und Lagerarzt Mengele fordern zudem viele Privatkonzerte. Alma Rosé stirbt 1944, möglicherweise an einer Vergiftung.

Im Jahr 1939, an einem nasskalten Märztag, kommen Ernst und Wolfgang noch einmal nach Weimar, um mit ihrem Vater dessen achtzigsten Geburtstag zu verbringen. Es soll die letzte Familienzusammenkunft werden.

Einige Wochen darauf gelingt es Ernst dank einer Bürgschaft Walter Gropius’, nach New York auszureisen. Wolfgang muss noch länger in Berlin ausharren, doch schließlich kann er durch die Bemühungen seines Cousins Alfred Rosé im November 1941 per Schiff nach New York ausreisen – gerade noch rechtzeitig, bevor eine Welle von Deportationen der Berliner jüdischen Bevölkerung losbricht.

Den alten Vater nachzuholen glückt Ernst und Wolfgang nicht.

Verluste

In seiner Einsamkeit klammert sich Eduard Rosé an liebgewonnene Gewohnheiten, doch Stück für Stück wird ihm alles verboten: sein Rundfunkgerät wird ihm 1939 weggenommen, als Jude darf er nur noch bei bestimmten Händlern und zu bestimmten Zeiten einkaufen, auch muss er selbst sich in die lange Schlange stellen und darf keine „arische“ Person an seiner statt schicken. Da sein Viertel für den Bau des Gauformus abgerissen wird, muss er die Wohnung am Viadukt räumen und in eine kleine Dachgeschosswohnung in der Marienstraße ziehen. In Cafés und Restaurants, auch in vielen Geschäften werden Juden nicht mehr bedient. Allein der Umstand, dass er seit Jahrzehnten seine Stammcafés besucht, erlaubt ihm, dort noch als stille Ausnahme geduldet zu sein. Es ist abzusehen, dass ihm diese kleinen Freiräume mit dem gelben Stern am Mantel verwehrt werden – weswegen er nun, im Herbst 1941, verzweifelt zur Feder greift. Mit dringlichen Worten weist er auch auf die existenzbedrohende Dimension seiner öffentlichen Stigmatisierung durch den Stern hin:

„Nun bin ich ein bereits im 83. Lebensjahr stehender Witwer, der keinen eigenen Haushalt führen kann, und infolgedessen außer meinem mir selbst bereiteten frugalen Frühstück die Mittags- und Abendmahlzeit außer dem Haus einnehmen muß, wenn ich nicht ganz verhungern soll.“

Doch steht für ihn nicht nur die körperliche Gesundheit auf dem Spiel, der Verlust seiner Familie und jeglicher Anerkennung und die fortschreitende Beschneidung seiner Freiheit müssen ihn auch seelisch zermürben. Aufrecht halten ihn sein Stolz und das Festhalten an seinem Alltag.

Der Brief hat schlimme Folgen. Der Polizeipräsident leitet ihn an die Gestapo weiter. Der fällt als erstes auf, dass Eduard Rosé nur mit Nachnamen unterschrieben hat, statt „Israel“ hinzuzufügen. Er wird von der Gestapo vorgeladen, verhört, erträgt mehrere Tage in einer Zelle des Marstalls. Diese Zellen im Marstall überlebt niemand lange: Sie messen 70 Zentimeter mal 1,40 Meter, sind fensterlos, überhitzt, durchgängig hell erleuchtet und mit Marschmusik beschallt.

Rosés Wohnung wird durchsucht, und die Reste einer Kleiderkarte – für Juden inzwischen verboten – und eine Lebens­mittelkarte mit ausradiertem „J“ werden gefunden. Nach einer Woche Haft und Verhör gesteht der Zweiundachtzigjährige zudem, nicht wie vorgeschrieben bei Kaufmann Schachtschnabel einzukaufen und, wenn er sich nicht wohl fühlt, sich etwas von Margarete Vogler mitbringen zu lassen.

Das reicht der Staatsanwaltschaft, um im Dezember ein beschleunigtes Verfahren gegen ihn wegen Urkundenfälschung anzustrengen. Seine Rechtsvertretung ist nur Formalie, und Rosé wird, nachdem er nun schon eine Woche in U-Haft saß, zur Zahlung von siebzig Reichsmark und der Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt. Die muss er von seiner mickrigen Pension bestreiten, die mit 240 Reichsmark am Existenzminimum liegt. Im selben Monat ist er gezwungen, in das „Judenhaus“ in der Belvederer Allee zu ziehen.

Dabei handelt es sich um das Haus von Jenny Fleischer-Alt, die er noch von seiner Arbeit am Theater und in der Musikschule her kennt. Bei ihr wohnen auch ihre schwerkranke Schwester Ilka Gál und deren Tochter Edith. Im März stirbt Ilka, und um ihrer Deportation zu entgehen, begehen Jenny Fleischer-Alt und Edith Gál am 7. April 1942 Selbstmord.

Die Bewohner des Hauses, die nicht im Mai nach Belzyce deportiert worden sind, müssen erneut umziehen. Von nun an harrt auch Eduard Rosé in den extrem beengten Verhältnissen des „Judenhauses“ am Brühl 6 aus. Er trägt nun den Stern und hat alles verloren, was ihm lieb und teuer war. Als ihn der Deportationsbescheid darüber informiert, dass er sich im Hof des Marstalls einzufinden habe und am 20. September 1942 „gen Osten“ abgeschoben werde, kommen Erinnerungen an seine Kindheit hoch und lassen ihn in Gedanken an die alte Heimat aufleben.

Doch auch der Ort seiner Kindheit ist verloren: Dort, in Jassy, wüten im Sommer 1942 rumänische Truppen, unterstützt von der Wehrmacht, und begehen das größte Pogrom an der jüdischen Bevölkerung Rumäniens.

Im Ghetto Theresienstadt erwartet den renommierten Musiker Hunger, Unrat, Enge. Eduard Rosé stirbt am 24. Januar 1943.

Quellen:
  • Erika Müller, Harry Stein: Jüdische Familien in Weimar, Stadtmuseum Weimar 1998
  • Bernhard Post: Kulturverlust, Friedrich-Ebert-Stiftung, Weimar 2002
  • Stephen McClatchie: The Mahler Family Letters, Oxford University Press, Oxford 2006
  • Marlis Gräfe u.a.: Quellen zur Geschichte Thüringens: Die Geheime Staatspolizei im NS-Gau Thüringen 1933–1945, Landeszentrale für politische Bildung, Erfurt 2008
  • Carsten Liesenberg, Harry Stein: Quellen zur Geschichte Thüringens: Deportation und Vernichtung der Thüringer Juden 1942, Landeszentrale für politische Bildung, Erfurt 2012
  • Michael H. Kater: Weimar: From Enlightenment to the present, Yale University Press 2014
  • http://www.deutsche-biographie.de/sfz108008.html (01.04.2016)
  • http://www.wienerphilharmoniker.at/orchester/geschichte/nationalsozialismus (01.04.2016)
  • http://weimar-im-ns.de (01.04.2016)
  • http://gustav-mahler.eu (01.04.2016)
  • http://www.ghetto-theresienstadt.info/terezinghetto.htm (01.04.2016)
  • https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/voelkermord/ghetto-theresienstadt.html (01.04.2016)
  • Hauptstaatsarchiv Thüringen
  • Interview mit Margarete Vogler 1970, Archiv der Hochschule für Musik Weimar